Formen der Gewalt: Psychische und verbale Gewalt

Ich schreibe an dieser Stelle über psychische Gewalt, weil ich es für sehr wichtig halte, solche Verhaltensweisen klar zu benennen und sie auch im Rahmen von Beratungen zu thematisieren. Hierbei muss jedoch eine Unterscheidung von Person und Verhalten gewährleistet sein. Alles andere wäre nicht besser als die verbale Aggression selbst. Ích halte es für sehr wichtig, zu verstehen, dass verbale Aggression und psychische Gewalt Vertrauen, Intimität und Wechselseitigkeit in Beziehungen unmöglich machen.

Die Übergange zu physischer Gewalt sind oft fließend. Wo physische Gewalt herrscht, sind Beschimpfungen, Entwertungen und verbale Kränkungen an der Tagesordnung. Verbale Gewalt ebnet den Weg für physische Gewalt. Opfer berichten, dass sie an den Folgen verbaler und psychischer Gewalt mindestens genauso lange, wenn nicht sogar länger, als an den Folgen physischer Gewalt leiden, da ihr Selbstwertgefühl schwer beschädigt und untergraben wurde.

Es gibt Beziehungen in denen beide Partner zu Tätern werden. Sie leiden unter einem Gefühl der Hoffnungslosigkeit, Schuld- und Schamgefühlen, dem Verlust von Respekt und Vertrauen und unter Isolation. Ziel einer Beratung ist es in diesem Fall, eigene Verhaltensweisen und deren Wirkung auf das Gegenüber bewußt zu machen und ein gemeinsames Bündnis gegen dieses beziehungsfeindliche Verhalten zu schließen.

In assymetrischen Beziehungen kann Beratung nur wirksam werden, wenn der mächtige Partner bereit ist, Einsicht zu zeigen und an sich und seinem Verhalten zu arbeiten. Er/Sie muss Verantwortung übernehmen und aufhören, Ausreden, Anschuldigungen oder Entschuldigungen für sein Verhalten anzuführen. Ursache für aggressives Verhalten sind oft individuelle Probleme, die in frühen Beziehungserfahrungen begründet sind. Leiden sollte immer mit Mitgefühl begegnet werden, allerdings sollte es nicht als Entschuldigung für verletzendes Verhalten akzeptiert werden. Ein Verhalten erklären zu können, heißt nicht es entschuldigen zu müssen.

Im Zusammenhang mit psychischer Gewalt wird dieser Tage oft der Begriff der Narzisstischen Persönlichkeitsstörung oder des narzisstischen Mißbrauchs, der toxischen Beziehung u.a.m. genannt. Mein Ziel ist es, Wissen über diese Formen von Gewalt zu vermitteln und jenen, die ihnen ausgesetzt sind, dabei zu helfen, ihr Erleben in Worte zu fassen und zu verstehen, dass es um allgemeine Formen des Mißbrauchs geht. Hierfür braucht es  keine psychiatrischen Diagnosen. Wichtig ist: Verbale und psychische Gewalt hat nichts mit dem Opfer zu tun, sie ist allein Sache des Täters; die Opfer sind austauschbar, die Täter nicht immer krank oder persönlichkeitsgestört, immer aber machtorientiert. Macht bedeutet in diesem Zusammenhang: Die Möglichkeit anderen den eigenen Willen auch gegen deren Widerstand aufzuzwingen. Das Opfer wird systematisch aus der Balance gebracht, seiner Orientierung und seines Selbstvertrauens beraubt. Wissen über die Methoden der Täter, die Fähigkeit sie zu benennen und zu verstehen, dass das Opfer nicht "schuld" ist, sind die ersten Schritte zur Befreiung aus dem Mißbrauch.

Symptome:

Permanenter Druck, Isolation, Schuldgefühle, Traurigkeit und Gedankenkreisen um die Stimmung des Gegenübers, die eigenen Fehler und Verfehlungen können Symptome dafür sein, dass Sie kontrollierendem Verhalten durch einen Partner/in, Familienangehörigen, Kollegen/in oder Vorgesetzten ausgesetzt sind. Sie haben das Gefühl, sich auf Eierschalen zu bewegen.

Hier spricht man von psychischer, oft in verbaler Form, auftretender Gewalt. Ziel dieses Verhaltens ist die Kontrolle über andere Personen, über ihr Denken, Fühlen, ihre Zeit, ihren Raum und ihre Sicht der Realität.  In diesem Zusammenhang ist es angemessen, von Opfern und Tätern zu sprechen.

Den Opfern ist oft nicht klar, dass sie mitunter jahrelanger Misshandlung ausgesetzt sind, viele wurden in entsprechenden Beziehungen zu Eltern, Geschwistern, Lehrern…sozialisiert und leiden an einer verzerrten Selbst- bzw. Fremdwahrnehmung. Oft wird in diesem Zusammenhang von codependentem bzw. coabhängigem Verhalten gesprochen. Manche Opfer fühlen sich jedoch durch diese Begriffe diffamiert. Niemand ist selber schuld, dass er mißhandelt wird. Es gibt Menschen, die im Laufe ihres Lebens, durch frühe, wiederholte und/oder lang anhaltende Mißhandlungsbeziehungen eine Deformation ihrer Wahrnehmung erleiden: John Bradshaw hat des Begriff "De-selfing" geprägt. Er beschreibt einen Kontaktverlust mit dem eigenen Selbst, eine Distanzierung und Taubheit gegenüber den eigenen Gefühlen, dem eigenen Leiden. Für hiervon betroffene Menshcen ist es besonders schwer, mißbräuchliche und schädliche Beziehungsstrukturen zu erkennen und sich zur Wehr zu setzen.

Zudem sind die Opfer meist isoliert. Kontrollierende Personen unterminieren nicht nur das Selbstbild ihres Opfers, sondern auch deren Beziehungen zu anderen, indem sie Zweifel an deren Aufrichtigkeit und Motiven nähren, negative Aussagen Dritter kolportieren, auf Außenkontakte mit Vorwürfen oder auch stummer Anklage reagieren. Eifersucht, Unterstellungen, Kritik, Loyalitätsforderungen und herabsetzende Bemerkungen – oft und gerne als Witz getarnt – untergraben das Selbstbewusstsein des Opfers und mindern seine Energie und Bereitschaft sich Dritten zuzuwenden.

Verbale und psychische Gewalt dienen der Kontrolle des Gegenübers und verhindern echte Beziehungen. Die Opfer machen oft den entscheiden Fehler, das Verhalten ihres Gegenübers nicht als das zu nehmen, was es ist, sondern sind bereit, eigene Motivationen, Ängste, Unsicherheiten hineinzuinterpretieren. Sie „reparieren“ ihre Wahrnehmung des grenzüberschreitenden Verhaltens und unterlegen  verständliche, meist relativierende  Motive.

 

 

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